Noch drei

 

 

 

Von Gisela Hansen

 

 

 

Mein jährlicher Heimaturlaub in Deutschland neigt sich dem Ende zu. Normalerweise bekomme ich eine Liste zugeschickt. Darauf wird mir verordnet, was ich alles in den Busch mitzunehmen habe.

 

Neben einer Unzahl an Kleinigkeiten (Tapetenkleister, Büroklammern, Puddingpulver, Mäusegift) auch vier Ersatzreifen fürs Auto, neu und von der Marke Sowieso.

 

Ich begebe mich in ein renommiertes Autohaus und bestelle sie, nenne die Anschrift in Westafrika, Postfach Nummer 1, und veranlasse den Versand.

 

Nach ein paar Tagen Stress, Packerei und Rennerei, auch zu Ämtern und Speditionen, sinke ich erschöpft in den ersehnten Sitz einer Boing. Ich bin nicht allein, ich habe immer meine zu der Zeit zweijährige Tochter bei mir. Seinerzeit musste man über Paris fliegen, dort übernachten und am nächsten Tag von Charles de Gaulle über Marseille nach Westafrika fliegen. Es vergehen zwei zermürbende Tage und Nächte. Die Ankunft an der Küste Westafrikas beginnt mit einer Dusche heißer, feuchter Luft, meist es es schon dunkel. Den tropischen Sonnenuntergang habe ich von der Maschine aus beim Anflug auf die Küste tief eingeatmet.

 

Vor Erschöpfung bin ich weitgehend gleichgültig und empfindungslos geworden, denn nun beginnt die eigentliche Anstrengung, die Anfahrt durch die Stadt und dann das Gerumpel durch den Busch, etwa 90 km.

 

In den nächsten Tagen wird ausgepackt, hergezeigt und erklärt. Ein paar Sachen sind falsch und unnütz, wie gewohnt.

 

 

 

Und dann die zaghafte Frage:

 

 

 

Da sollen doch noch Reifen sein.

 

Ja, hab ich nicht vergessen. Die sind extra.

 

Wie extra? Unbegleitetes Fluggepäck??

 

Nö. Kommt mit der Post.

 

Häh? So mit Briefmarke drauf?

 

Kommen mit der Post.

 

Das ist nicht dein Ernst!

 

Wenn ich‘s doch sage!

 

 

 

Nun bricht ein Donnerwetter los.

 

 

 

Bist...du...von...allen...guten...Geistern...verlassen? Verrückt geworden?? Was hast du dir denn dabei gedacht?

 

Ab hier sage ich besser nichts mehr und lass den Alten toben.

 

Alles wird immer falscher.

 

Jetzt ertönt ein unbändiges, unechtes Gelächter: Har, har,har! Nicht zu glauben! Mit der Post! Running Gag durch die ganze Kolonie! Die schickt vier Reifen mit der Post über den halben Globus

 

in den Busch!

 

Er klatscht mit der flachen Hand an seine Stirn, immer wieder. Und rennt wie ein gefangenes Tier die Stube auf und ab. Und bölkt weiter:

 

Weißt du, was damit passiert?! Die werden einer nach dem anderen aus dem Zoll geklaut oder verschachert, dann auf dem Markt oder in Hinterhöfen verscherbelt. Und übermorgen läuft die halbe Bevölkerung auf frisch geschnitzten Flipflops rum. Aus den Reifen wird ein Vielfaches des Ursprungspreises erwirtschaftet.

 

(Dann trifft es jedenfalls keinen Armen, denke ich verstockt)

 

Und möchte sagen: Und warum hast du Deppp nicht aufgeschrieben, wie ich den Versand organisieren soll? Die Antwort gebe ich mir selbst. Das nächste Mal schicke ich dir einen Haufen reifer Orangen und Schokolade. Dann kriegst du eine riesige Ameiseninvasion wie in Stephensons Leiningen und die ganze Post lacht dich aus. Und keiner will dir den Schlamassel aushändigen.

 

 

 

Meine Reifenpanne macht die Runde.

 

 

 

Nach einigen Wochen kommt Pièrre schwungvoll mit dem Fahrrad auf den Hof gefahren. Auf dem Kopf balanciert er dabei hochkant einen unverpackten Autoreifen.

 

 

 

Ach, guck! Was hast du da?

 

 

 

???

 

 

 

Er strahlt mich an:

 

Madame, da sind noch drei Reifen mehr.

 

 

 

Das ist nicht kurios.

 

 

 

C‘est bizarre.